Dickes Fell & Faule Haut - eine Recherche von Jelka Plate
Dickes Fell & Faule Haut - eine Recherche von Jelka Plate
Aus einer Theaterproduktion besitze ich Siebenschläfer,- Hamster,- Murmeltier- und Igelkostüme. Alles Tiere, die Winterschlaf halten und ein dickes Fell besitzen. Eigenschaften, die dem Menschen im Laufe seiner Entwicklung abhanden gekommen sind, ihm aber im Zuge des Klimawandels wieder gut stehen würden. Schließlich sinkt der eigene Energieverbrauch sowohl durch den Winterschlaf als auch durch ein dickes Fell enorm. Wie umständlich, dass wir uns immer erst eine Behausung bauen müssen, ehe wir irgendwo schlafen können. Wie unangemessen, in den dunklen, kalten Wintermonaten genauso fleißig weiter zu arbeiten, ständig die Lampen leuchten zu lassen und viel zu futtern, um den gestiegenen Energiebedarf durch Kälte wett zu machen. Schon immer war ich neidisch auf die Schildkröte eines Freundes, die sich bei den ersten kalten Nächten des Winters in einen gemütlichen Maispantoffel in der Speisekammer zurückzog und nicht mehr herauskam bis es Frühling wurde.
In meiner Recherche möchte ich mich in radikaler Passivität (Kathrin Busch) üben und untersuchen, wie es sich mit einem dicken Fell lebt; wie von außen an mich herangetragene Erwartungen evtl. abprallen bzw. sanft in meinem Fell versacken und mich nicht tangieren. Wie ich durch ein warmes Fell weniger friere und so entspannter durch den Winter komme. Bei diesen Selbstversuchen, die ich in verschiedenen Habitaten anstelle, werde ich mich dabei filmen, wie ich z.B. in meiner Speisekammer schlummere, um mit einem zukünftigen Publikum Bilder meiner angepassten Existenz teilen zu können.
Gerade Künstler:innen sind immer wieder mit dem schlechten Ruf der Anpassung konfrontiert, geht es doch in der Kunstwelt vornehmlich darum, sich hervor zu tun, Welten zu erschaffen und besonders zu sein.
Was aber, wenn es viel zukünftiger und angemessener ist, sich im Sinne der Bewohnbarkeit unseres Planeten (Bruno Latour), damit zu befassen, unter welchen Bedingungen wir weiter existieren können und sich genau diesen Bedingungen anzupassen? Hierin liegt vielleicht auch die Hoffnung auf eine große Erleichterung, denn die adaptive Gesellschaft verspricht auch ein Abdämpfen spätmoderner Selbstverwirklichungsüberforderungen und ermöglicht es dem Subjekt, mit den als unhintergehbar erachteten Verhältnissen ins Reine zu kommen, indem es sich der modernen Illusion heroischer Weltgestaltung verweigert (Philipp Staab, aus: Anpassung – Leitmotiv der nächsten Gesellschaft)
Dokumentation des Projekts unter:
https://www.jelka-plate.de/dickes-fell-und-faule-haut/
Jelka Plate, *1971, lebt in Berlin. Sie studierte freie Kunst und Bühnenbild an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg. Seither interessiert sie sich für Kunst- und Theaterprojekte, die sich an der Schnittstelle von Kunst und Politik bewegen.
Als Bühnen- und Kostümbildnerin arbeitet sie mit zahlreichen Theatergruppen zusammen. Zugleich entwickelt sie anhand von Recherchen ortsspezifische Rauminstallationen und Performances. In ihren Arbeiten nimmt sie soziale Prozesse und Bewegungen auf, initiiert Diskussionen und stellt Situationen her.
Dickes Fell & Faule Haut
GEFÖRDERT VOM FONDS DARSTELLENDE KÜNSTE AUS MITTELN DER BEAUFTRAGTEN DER BUNDESREGIERUNG FÜR KULTUR UND MEDIEN IM RAHMEN VON NEUSTART KULTUR
Januar 2024